Der Vorstoß der GEW zur Reform der Lehrkräfteausbildung hat bei den Berufsschullehrerverbänden für tiefe Verwunderung gesorgt. Im Kern des GEW-Vorstoßes geht es um die Verschmelzung des Vorbereitungsdienstes mit der Probezeit für Lehrkräfte. Damit soll für Lehrkräfte durch die Verkürzung der Ausbildungszeit von neuneinhalb auf acht Jahre ein zeitlicher Vorteil von 1,5 Jahren entstehen. Diese Rechnung gilt letztlich nur für allgemeinbildende Lehrämter, die längeren Ausbildungszeiten für das Lehramt an berufsbildenden Schulen (Lehramtstyp 5) wurden hier nicht berücksichtigt. Die GEW schlägt vor, den Vorbereitungsdienst abzuschaffen. Die angehenden Lehrkräfte sollen direkt nach dem Studium an einer Schule ihre Berufstätigkeit beginnen, um so dem sogenannten Praxisschock zu entgehen. Die Berufsschullehrerverbände bezeichnen diesen Vorstoß der GEW als „absoluten Unsinn“, jegliche Vorschläge zur weiteren Deprofessionalisierung von Lehrkräften werden entschieden abgelehnt. Grundsätzlich sind die Berufsschullehrerverbände nach wie vor der Auffassung, dass Lehrkräfte für berufsbildende Schulen ihre Lehrbefähigung in der Regel auf Grundlage des grundständigen Lehramtsstudiums mit nachgelagertem Vorbereitungsdienst gewinnen und die Professionalisierung von Lehrkräften im Vorbereitungsdienst im Vordergrund steht. Weiterhin müssen jedoch Entwicklungspotenziale in der Lehrerausbildung sachlich diskutiert und systematisch erschlossen werden. Oberflächliche Ad-hoc Umfragen tragen sicherlich nicht zur sachlichen Lösung der Praxisschock-Problematik bei, diese sind kontraproduktiv und helfen den angehenden Lehrkräften in ihrer individuellen Situation nicht.
Praxisschock schon uralte Problematik
Als Praxisschock wird der Übergang vom Studium in die berufliche Praxis in Form des Vorbereitungsdienstes bezeichnet. Bekannt ist, dass Studierende, die von der Universität kommen, in Bezug auf die praktische Bewältigung des Schulalltages erst relativ wenige Kompetenzen entwickelt haben. In diesem Zusammenhang ist unbestritten, dass während der ersten Phase der Praxisbezug dringend weiter erhöht werden muss. Weiterhin muss die Schnittstellenproblematik zwischen Studium, Vorbereitungsdienst und Berufseinstiegsphase weiter abgebaut, die Ausbildung an den unterschiedlichen Lernorten noch besser verzahnt werden.
Berufswahlentscheidung fällt bereits mit Aufnahme des Lehramtsstudiums
Aufgrund der schulpraktischen Ausrichtung des Vorbereitungsdienstes mit hoher Praxisnähe wird dieser Ausbildungsabschnitt von Lehrkräften im Vorbereitungsdienst teilweise als belastend und auch überfordernd erlebt, teilweise als „schlimmste Zeit meines Lebens“ beschrieben. Diese Wahrnehmungen sind unter anderem der Situation geschuldet, dass Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst vor Entwicklungsaufgaben stehen, die sie individuell mehr oder weniger ausgeprägt noch nicht überblicken können und deshalb zu Verunsicherung führen können. Diese Zusammenhänge sind lange bekannt, es liegen wissenschaftliche Untersuchungen in diesem Zusammenhang vor, in der Qualifizierung und Fortbildung von Fachleitungen werden diese umfassend thematisiert. Entsprechende individuelle Wahrnehmungen von Lehrkräften im Vorbereitungsdienst werden von den Ausbildenden ernst genommen, alle Beratungs- und Unterstützungssysteme in den Studienseminaren sind vorrangig darauf ausgerichtet, Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst entsprechend zu unterstützen, damit sie eine wirksame Lehrerpersönlichkeit entwickeln können. Unabhängig davon, ob der Berufseinstieg im Studienseminar oder an der Schule beginnt: Der Praxisschock ist der Situation geschuldet, wird von den angehenden Lehrkräften wahrgenommen und deshalb entsprechend erhalten bleiben. Allerdings können an Studienseminaren etablierte professionelle Ausbildungs-, Beratungs- und Unterstützungssysteme von Schulen wohl kaum bereitgestellt werden.
Kompetenzen der APVO-Lehr sind auf die Bewältigung des Schulalltags ausgerichtet
Gemäß APVO-Lehr ist das Ziel des Vorbereitungsdienstes auf die Entwicklung von Kompetenzen ausgerichtet, welche professionelles Lehrerhandeln im Schulalltag ermöglichen. Entsprechend wird in den Durchführungsbestimmungen zur APVO-Lehr die Durchführung der Prüfung definiert. Tatsächlich ist festzustellen, dass Anforderungen an Lehrkräfte permanent steigen: Inklusion, BNE, DaZ, Digitalisierung, u.s.w. werden auch von erfahrenden Lehrkräften als besondere Herausforderung wahrgenommen und wirken sich entsprechend auch auf angehende Lehrkräfte aus. In diesem Zusammenhang muss mittlerweile von einer Überfrachtung der Seminarcurricula gesprochen werden, die dazu führen können, dass Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst sich stark fremdgesteuert fühlen und selbstgesteuertes bzw. selbstorganisiertes Lernen zu wenig Raum hat. Diese Problematik kann nicht nur den Studienseminaren angelastet werden, da wie oben bereits erwähnt die verbindlichen Vorgaben zur externen Steuerung von Schulen erheblich zugenommen haben und bis in didaktisch-methodische Konzepte wirken. Ohne diesen Zusammenhang weiter zu vertiefen muss aber gefragt werden, ob vor diesem Hintergrund eine Reduzierung von didaktisch-methodischen Auseinandersetzungen in Unterrichtsplanungen der angehenden Lehrkräfte möglich ist. Weiterhin muss die durchgängige Fokussierung auf die 45-minütige Unterrichtsstunde in der APVO-Lehr, die berufliche Realität zu wenig widerspiegelt, ebenfalls überdacht werden, individualisierte Lern- und Entwicklungsaufgaben müssen stärker in den Vordergrund rücken, wobei auch die Dauer des Vorbereitungsdienstes individualisierter gestaltet werden könnte.
Wer ausbildet, prüft
Mit Novellierung der APVO-Lehr wurde der Grundsatz „wer ausbildet, prüft“ konsequent umgesetzt. Selbstverständlich definieren Leistungsmessungen und -beurteilungen auch für Lehrkräfte an allen Schulformen einen wichtigen Kompetenzbereich, der trotz aller Probleme der Objektivität, Validität und Reliabilität nicht in Abrede gestellt wird. Klar ist, dass über die gestellten Erwartungen an die Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst mehr Transparenz hergestellt werden muss. Die Trennung von Ausbildung und Prüfung würde zwar einige Vorteile bieten, gleichzeitig aber umfangreiche Ressourcen binden. Es muss geklärt werden, ob dieser Zusammenhang ein Problem darstellt, da die Anzahl der nicht bestandenen Prüfungen relativ gering ist. In diesem Zusammenhang nennt das Niedersächsische Kultusministerium die Praxisphase der Lehrerbildung sehr erfolgreich und rühmt eine hohe Ausbildungsqualität.
Studienseminare für das Lehramt an Berufsbildenden Schulen gehen innovativ voran
Im Gegensatz zu den allgemeinbildenden Studienseminaren wurden die Einstellungstermine für Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst nicht auf Schul-/ Schulhalbjahreswechsel gelegt. Die Aufnahme des Vorbereitungsdienstes zum 1. Mai bzw. 1. November sorgt für Entlastung während des Berufseinstiegs. Die angehenden Lehrkräfte können zunächst mit Hospitationen an den Schulen beginnen. Weiterhin wurde an berufsbildenden Studienseminaren die Einführungswoche auf 2 Wochen ausgeweitet, was ebenfalls Überforderungen entgegenwirkt. Unter Berücksichtigung des Erlasses zur Steuerung der berufsbildenden Schulen durch Zielvereinbarungen stellen die Ausbildenden umfassende professionelle Beratung und Unterstützung bereit. Dabei wird besonderer Wert auf prozesshafte Beratung gelegt, die in gemeinsame Zielvereinbarungen mündet. Diese Vorgehensweise führt in besonderer Weise zu Entwicklungsfreiräumen und baut Ängste vor permanenter Beurteilung ab, wobei während der Ausbildungsphase nicht die Zielerreichung, sondern der Entwicklungsschritt der Lehrkraft im Vorbereitungsdienst vorrangig Beachtung findet. Im Rahmen des Qualitätsmanagements arbeiten die Studienseminare LbS permanent an der Weiterentwicklung der Lehrerbildung. Dabei geht es nicht um die Suche nach Bestätigung von pauschalen Aussagen, sondern dass individuelle Problemlagen erfasst und fürsorglich gelöst werden können. Aktuell wird thematisiert, wie angehende Lehrkräfte in die Gestaltung des Vorbereitungsdienstes stärker einbezogen und entsprechende Rückmeldungen systematisch und valide erhoben werden können.
Beitrag wurde redaktionell bearbeitet von:
StD Helmut Strack
- Lehrkraft an der BBS Burgdorf
- Fachleiter im Studienseminar Hannover LbS
Kontakt: strack@seminar-h-lbs.de